Clark Gable - Der größter Herzensbrecher Hollywoods (2024)

„DearMr. Gable, You Made Me Love You“, flötete Judy Garland in „Broadway Melody of1938“ – und sang vielen Zeitgenossinnen aus dem Herzen: Clark Gable war in den1930er-Jahren der „King of Hollywood“, gipfelnd in seiner Verkörperung desRhett Butler in „Vom Winde verweht“. Der Machismo der Glücksritter, die erimmer wieder verkörperte, fällt aus heutiger Sicht zwar oft in die Kategorie„toxische Männlichkeit“; die ironische Lässigkeit und das Charisma des Starssind indes noch immer reizvoll.

Am22. Juli 1934 ging John Dillinger ins Kino. Im „Biograph“ in Chicago, wo derGangster untergetaucht war, sah er sich „Manhattan Melodrama“ mit Clark Gable an, damals schon einer der größten Stars von MGM. Gable heißt imFilm Blackie, führt einen illegalen Spielclub, gibt ohne Groll seine Geliebte Myrna Loy für seinen besten Freund William Powell frei underschießt einen Intriganten, der Powells Aufstieg vom Staatsanwalt zum NewYorker Gouverneur zu verhindern versucht. Als es zum Prozess kommt, muss Powell aufTodesstrafe für Gable plädieren, die auch vollstreckt wird. Blackie nimmt’s ihmnicht übel.

Für den Film „Public Enemies“ (2009) rekonstruierte MichaelMann den Kinoabend, der Dillingers letzter war. Der „Staatsfeind Nr. 1“, eingroßer Verehrer von Myrna Loy, war mit einer Freundin ins Kino gegangen, diemit dem FBI paktierte. Mittels Ausschnitten aus „Manhattan Melodrama“setzt Mann Dillinger (Johnny Depp) in einen virtuellen Dialog mitGables Figur, der Dillingers erbärmliche Existenz in geschönter Hollywood-Manierspiegelt und ihm auch die Zukunft zeigt: Nach dem Film wird Dillinger von dreiKugeln niedergestreckt – eine irrsinnige, aber wahre Geschichte.

Dabeiwäre ein letzter Gruß von James Cagney („Public Enemy“!) vomRollenprofil her passender gewesen. Anders als der auf Gangsterrollenspezialisierte Cagney bewegte sich Clark Gable nur in seiner Frühzeit gelegentlich inder Unterwelt (und nach der Devise: Machismo ja, Blutrausch nein); später warer auf Helden statt auf Antihelden abonniert. Die Kinosequenz mit einemkindlich kinobegeisterten Dillinger passt aber trotzdem gut zu Gable, weil darinmitschwingt, wie der Star auf sein Publikum wirkte, zu dem er nie den Draht verlor: Er verblüffte die Leute nicht so sehr mit darstellerischer Wandlungsfähigkeit, die im 1930er-Heldenfach ohnehin kaum gefragt war, sondern er wickelte sie vorallem mit unwiderstehlichem Charme um den kleinen Finger.

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Eswar ja nicht nur der kräftige Körper, der ihn zum Leading Man machte und ihmfast die Tarzan-Rolle eingebracht hätte. Für die mag Johnny Weissmullersbreiter Brustkorb dann noch etwas geeigneter gewesen sein – aber Rhett Butlerhätte Weissmuller nie spielen können, Gables berühmteste Figur, die ganz vonseinem lässigen Glücksritter-Charisma lebt. Von den Dackelfalten über die beiBedarf ironisch separat auf und ab tanzenden Augenbrauen, die schnuckeligenGrübchen und das eine Spur schiefe Lächeln wusste Gable seine Mimik meisterhaftzu kontrollieren. Der frühere Theaterschauspieler agierte in „Vom Winde verweht“ wie für die letzte Sitzreihe, während Vivien Leigh,Olivia de Havilland und Leslie Howardzurückhaltender spielten. Aber es funktioniert, gerade deswegen – dasKraftstrotzend-Energetische, das Gable der Figur mitgab, machte sich bestensals attraktiver Kontrast zur verfeinerten Südstaaten-Oberschicht.

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Gablebefürchtete, dass das Sezessionskrieg-Drama, für dessen Inszenierungursprünglich George Cukor vorgesehen war, zum reinen „Frauenfilm“geraten könnte. Er soll maßgeblich für Cukors Austausch gegen Victor Fleming verantwortlich gewesen sein. Fleming, ein Buddy des Stars, gabder Figur offenbar das Gewicht, das Gable verlangte. Er hatte gezögert, dieRolle anzunehmen, für die er prädestiniert war – alle, einschließlich der „VomWinde verweht“-Autorin Margaret Mitchell, waren dieser Ansicht. „Dasöffentliche Interesse machte mich verrückt“, klagte Gable später. „Ich weißjetzt, wie eine Fliege in einem Spinnennetz reagiert.“ Beim Dreh konnte er sichdann so weit vom Druck befreien, dass vor der Kamera sogar Tränen flossen. Undzwar seine! Rhett, mitschuldig an Scarletts Fehlgeburt, wird in einer Szene vonderen Cousine Melanie getröstet. Fleming schaffte es nicht, Gable dafür zumWeinen zu bringen. Das gelang erst Melanie-Darstellerin Olivia de Havilland durch gutes Zureden. „Er fand, es sei unmännlich“,rekapitulierte sie, „so waren Männer damals eben konditioniert“.

DerMensch hinter dem Image

Dasist kein Grund, Clark Gable mit Clark Gable zu verwechseln. Er wurde am 1.Februar 1901 in einem Dorf in Ohio geboren; seine Mutter starb, als er zehnMonate alt war. Er war ein schüchterner Junge, dem die Stiefmutter dasKlavierspiel bei- und die Literatur nahebrachte (später ließ Gable sich ungernbeim Lesen fotografieren, obwohl er Bücher liebte). Sein Vater, ein Ölarbeiter,schleifte ihn zur Jagd und drängte seinen Sohn zu harter körperlicher Arbeit.Eine Tournee-Theateraufführung wurde für den 17-Jährigen dann zumErweckungserlebnis, doch erst mit 21 Jahren gab er die handfesten Jobs nach dem Geschmack seines Vaters auf und nahm eine Schauspielkarriere in den Blick.

AbMitte der 1920er-Jahre machte Gable in Hollywood durch Affären mitdiversen gleichaltrigen Kolleginnen von sich reden, darunter Joan Crawford und Loretta Young (die Vaterschaft dergemeinsamen Tochter erkannte er nie an), aber bis dahin waren es die alterndenTheatergrößen, die ihn unter die Fittiche nahmen und ihn mit Bühnenrollen inihren Stücken versorgten. Seine ersten beiden Ehefrauen waren um die 15 Jahreälter, die zweite eine reiche texanische Witwe (Scheidung: 1939), die erste –Josephine Dillon, die er 1924 heiratete und zeitlebens schätzte – trainierteihn als Schauspieler und managte ihn.

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Dieabstehenden Ohren waren chirurgisch angeheftet und die schlechten Zähne durchein künstliches Gebiss ersetzt worden, als MGM Gable unter Vertrag nahm und ihm1931 eine Hauptrolle in „Laughing Sinners“ gab. Nach seinem Durchbruch alsGangster in „A Free Soul“ (1931), derseine Freundin Norma Shearer schlecht behandelt, musste er keineNebenrollen mehr spielen. Innerhalb von drei Jahren, bis 1934, war Gable inüber 30 Filmen Partner großer Stars wie Joan Crawford, Greta Garbo oder Jean Harlow.

SeineRolle in der ersten großen Screwball-Comedy „Es geschah in einer Nacht“(1934) brachte ihm seinen einzigen „Oscar“ ein. Weil er sich das Komödienfachnicht zutraute, wollte Gable den Part des arbeitslosen Reporters erst nichtspielen, der mit einer abtrünnigen Millionärstochter (Claudette Colbert)durchs Amerika der Großen Depression reist und ihr – „Tunken ist eine Kunst“ –das einfache Leben nahebringt. „Das ist der wahre Gable“, erklärte Regisseur Frank Capra später, und dass es schade sei, dass der Star nur hier den„bodenständigen Typen“ verkörpern durfte. „Sie ließen ihn diese überlebensgroßen, aufbrausend-männlichen Liebhaber spielen, aber erwar nicht diese Art von Kerl. Er kam prima mit den einfachen Leuten klar. Erwollte schlicht Clark Gable spielen, so wie er in ‚Es geschah in einer Nacht‘zu sehen war.“ Das Publikum von 1935 schien Capra recht zu geben: In einerEd-Sullivan-Umfrage nach dem „King of Hollywood“ siegte Gable, „King“ wurde erbis zu seinem Lebensende genannt.

Einfrüher Aufstand gegen Diskriminierung

Inder zweiten Jahrzehnt-Hälfte wurde er „Bigger than life“ – da gab es wirklichkein Zurück. Der „bodenständige Typ“ und das Rollenmuster drifteten zunehmendauseinander. „Vom Winde verweht“ wurde zur Schicksalsrolle nicht nur für Gablepersönlich. Die heute – zumal nach den „Black Lives Matter“-Protesten –kritische Rezeption des Films als von Rassismus imprägniertes Machwerküberschattet auch den Nachruhm des berühmten Schauspielers.

Danützt es wenig, darauf hinzuweisen, dass Gable gegen die Segregation am Setprotestierte und solange streikte, bis die Toilettenschilder für „Schwarze“ und„Weiße“ abgenommen wurden. Mit Hattie McDaniel, die für ihreDarstellung der „Mammy“ immerhin den ersten „Academy Award“ für eineAfroamerikanerin gewann, war er bis zu ihrem Tod 1952 eng befreundet. Dennoch bleibt „Vom Winde verweht“ in der Schönfärbung der Sklaverei einhochproblematisches Werk.

Immerhinkonnte Gable während des Mammut-Drehs 1939 endlich Carole Lombardheiraten, mit der er schon länger heimlich liiert war, solange die Ehe mit dertexanischen Witwe noch nicht geschieden war. Die wunderbare SchauspielerinLombard und Gable avancierten zum Traumpaar Hollywoods, obwohl sie nach „No Manof Her Own“ (1932) keinen weiteren Film zusammen drehten. Gegensätze zogen sichan: Sie war linke Demokratin, er konservativer Republikaner.

Zärtlichnannten sie sich „Ma and Pa“ und züchteten auf ihrer Farm im kalifornischenEncino Hühner und Pferde. Das Glück währte kurz, Lombard starb 1942 bei einemFlugzeugabsturz, in tiefer Trauer brach Gable seine Filmarbeit ab und meldetesich zu den Luftstreitkräften.

Abschied von der Leinwand

Nach1945 drehte Clark Gable wieder, überzeugte als Trapper in „Colorado“(1951) und in John Fords Remake von „Dschungel im Sturm“ (in demGable und Jean Harlow 1932 brilliert hatten), das den Titel „Mogambo“(1953) trug – aber der Glanz der Vorkriegsjahre war unwiederbringlich. Mit denRollen, die er bei MGM bekam, war Gable unzufrieden, daher schloss er1954 keinen Studiovertrag mehr ab. Sein letzter Film wurde einer seiner besten.In John Hustons „Misfits – nicht gesellschaftsfähig“ (1961)spielt Gable den alternden Cowboy Gay Langland, der Wildpferde fängt, damit siezu Hundefutter verarbeitet werden. Unvergesslich seine letztesinnlos-halsbrecherische Jagd, ein donquichottesker Kampf gegen Zeit undVergänglichkeit, denn Gay hat längst beschlossen, die mühsam eingefangenen undgefesselten Pferde dann wieder freizulassen. Gay liebt Roslyn (Marilyn Monroe in ihrer ebenfalls letzten Rolle), und die hasst das Töten. Kurznach den Dreharbeiten starb Clark Gable 59-jährig an einem Herzinfarkt.

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Erkonnte sich verrennen und in falsche Ideale verbeißen. Aber auch loslassen,bereuen, Rechenschaft ablegen. In „Manhattan Melodrama“ (1934) tötetBlackie weder aus Habgier noch im Affekt, er erschießt einen Mann ausFreundschaft zu einem anderen Mann. Es ist ein Märchen. Im wahren Leben saß einJohn Dillinger im Biograph-Kino und ließ sich dieses Märchen von Ritterlichkeitgefallen. Wer heute Clark Gables Filme anschaut, erfährt so einiges über toxischeMännlichkeit, wie das inzwischen genannt wird. Seine Figuren waren oftrücksichtslos und arrogant. Im wirklichen Leben möchte man solchen Männernnicht im Dunkeln begegnen. Doch im dunklen Kino schon, wo unser Herz heimlichfür Clark Gable schlägt.

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